BGH-Urteil vom 02.10.2025 zu Online-Coaching und Fernunterricht: Was Online-Caoching Anbieter jetzt beachten müssen
Das jüngste Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 2. Oktober 2025 (Az. III ZR 109/24) hat für einen Paukenschlag in der deutschen Coaching- und Weiterbildungsbranche gesorgt. Im Fokus steht die Einordnung vieler Online-Coaching-Programme als „Fernunterricht“ im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG). Für Anbieter ergeben sich daraus erhebliche rechtliche Pflichten: Wer seine Kurse oder Programme online anbietet und dabei Wissen oder Fähigkeiten vermittelt, muss künftig besonders sorgfältig auf die gesetzlichen Voraussetzungen und eine behördliche Zulassung achten. Andernfalls droht nicht nur die Nichtigkeit des Vertrags, sondern auch die Pflicht zur Rückzahlung bereits eingenommener Gebühren.
1. Klarstellung des BGH: Weite Auslegung von Fernunterricht im FernUSG
Die zentrale Aussage des Urteils: Viele moderne Online-Coaching-Programme, die strukturierte Inhalte über Videokurse und begleitende Coaching-Sessions anbieten, gelten als Fernunterricht im Sinne des § 1 Abs. 1 FernUSG. Dies gilt, sobald folgende drei Hauptkriterien erfüllt sind:
- Entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen oder Fähigkeiten;
- Überwiegende räumliche Trennung zwischen Lehrendem und Lernendem (typisch für Online-Programme mit Videolektionen, On-Demand-Modulen, Gruppen-Coachings o.ä.);
- Überwachung des Lernerfolgs, z. B. über Feedback, Fragemöglichkeiten, Q&A-Sessions oder eine VIP-Support-Gruppe – selbst ein einfaches Kontroll-Feedback kann ausreichen.
Die Qualität oder das wissenschaftliche Niveau der vermittelten Inhalte spielen keine Rolle: Auch praxisorientierte, wenig akademische Kurse und „Mentoring“-Angebote können unter das Fernunterrichtsschutzgesetz fallen. Entscheidend ist allein die systematische Wissens- und Kompetenzvermittlung in einer vom Gesetz definierten Form
Auslegung der „räumlichen Trennung“
Nach der Rechtsprechung besteht die geforderte räumliche Trennung regelmäßig bereits dann, wenn Videomaterial asynchron, also ohne gleichzeitige Teilnahme der Lehrenden und Lernenden bereitgestellt wird. Live-Calls und etwaige synchrone Einzeltermine heben diese Trennung nicht auf, solange der Schwerpunkt des Angebots auf den videobasierten, zeitlich unabhängigen Modulen liegt.
Beispiel:
Ein 9-monatiges Business-Mentoring inklusive videobasierter Lernmodule, regelmäßigen Live-Calls, Feedbackmöglichkeiten und persönlichem Support wird als zulassungspflichtiger Fernunterricht angesehen – unabhängig davon, ob sich das Angebot an Privatpersonen oder Unternehmer richtet.
2. Zulassungspflicht: ZFU als zentrale Genehmigungsstelle und Rechtsfolgen
Klarer denn je: Anbieter von Fernunterricht müssen ihre Kurse oder Programme vorab von der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) genehmigen lassen. Diese Zulassung ist keine lästige Förmlichkeit, sondern eine rechtliche Pflicht. Liegt sie nicht vor, ist der Coaching-, Mentoring- oder Kursvertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig – unabhängig von Art und Umfang der Inhalte oder dem Personenkreis der Teilnehmer (auch B2B-Angebote sind mitumfasst)
Wer ist betroffen?
Anbieter von Videokursen, Online-Trainings, Blended-Learning-Formaten (Hybrid-Präsenz/Online), und Coaching-Programmen jeder Art, sofern strukturierte Wissensvermittlung und Lernerfolgskontrolle vorliegen.
Auch reine Unternehmens-Coachings fallen unter die Pflicht, wenn sie typische Schutzbedürftigkeit bei unternehmerischen Kunden voraussetzen (z.B. Existenzgründungs- oder Umschulungskurse)
Folgen einer fehlenden ZFU-Zulassung
Wird ein Angebot ohne die geforderte ZFU-Zulassung vertrieben,
- ist der Vertrag automatisch und von Anfang an nichtig
- besteht kein Anspruch auf Vergütung (auch nicht für bereits erbrachte Leistungen), gezahlte Beträge sind zurückzuerstatten
- drohen potenziell wettbewerbsrechtliche Abmahnungen und behördliche Sanktionen
Darüber hinaus besteht für viele Coach-Themen in der Praxis das Risiko, dass schon einzelne Kursbestandteile (z. B. dauerhafte Videothek plus Gruppenfeedback) den Zulassungszwang auslösen.
Tipp für Anbieter von Coaching:
Prüfen Sie täglich, ob Ihr Angebot alle drei FernUSG-Kriterien erfüllt. Liegen Unsicherheiten vor, empfiehlt sich eine anwaltliche Kurzberatung oder ein Antrag bei der ZFU, um den eigenen Risikostatus zu klären.
3. Fernunterricht und Online-Kurse rechtssicher gestalten: Praxistipps für Anbieter
Das Fernunterrichtsschutzgesetz bietet kaum Spielräume: Wer Angebote für strukturierte Wissensvermittlung per Distanztechnologie erstellt, muss sich und seine Kursmodule für jedes Angebot einzeln zulassen. So gehen Sie vor:
1a) Prüfungspflicht und Kursgestaltung
- Überprüfen Sie den inhaltlichen Aufbau Ihrer Programme: Gibt es ein Curriculum, Lernziele, Tests, optionale Fragemöglichkeiten oder Feedback-Sessions? All das spricht für Fernunterricht und damit für eine Zulassungspflicht.
- Synchrone Einzelveranstaltungen sind grundsätzlich weniger problematisch – bleiben Sie bei reiner Präsenz oder einhundertprozentig Live-Online ohne Aufzeichnung, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Ihr Angebot nicht als Fernunterricht qualifiziert wird.
1b) Zulassungsantrag stellen
- Stellen Sie den Antrag frühzeitig bei der ZFU (Zentralstelle für Fernunterricht Köln).
- Bereiten Sie vollständige Unterlagen, Lehrpläne, Materialbeschreibungen und genaue Angaben zur Lernerfolgskontrolle vor. Das Zulassungsverfahren kann mehrere Monate in Anspruch nehmen, im Regelfall werden für jeden Kurs eigene Prüf- und Zulassungsunterlagen benötigt.
- Kalkulieren Sie die Gebühren (meist im vierstelligen Bereich), berücksichtigen Sie Betreuungskosten für die Zulassungspflege bei regelmäßigen Kursaktualisierungen.
1c) Vertragsgestaltung
- Weisen Sie im Vertrag ausdrücklich auf Zulassung und Geltung der Programmkriterien hin.
- Erfüllen Sie die Transparenzvorgaben: Informationen zu Kursinhalten, Zeitplanung, Prüfungsformaten und Erfolgskontrolle transparent dokumentieren
- Rechnen Sie stets damit, dass Kunden bei nichtigen Verträgen vollständig erstattungsberechtigt sind – auch nach Kursabschluss.
FernUSG – Was bedeutet das Urteil für Coaching-Anbieter und Teilnehmende?
Das BGH-Urteil III ZR 109/24 markiert einen Wendepunkt im Online-Coaching- und Fernunterrichtsmarkt.
Anbieter müssen beachten:
- Online-Coaching, das Wissen und Fähigkeiten vermittelt, räumlich getrennt stattfindet und Lernerfolgskontrollen vorsieht, benötigt zwingend eine behördliche Zulassung nach dem FernUSG.
- Ohne ZFU-Zulassung ist der Vertrag von Beginn an unwirksam; sämtliches erhaltenes Geld ist zurückzuzahlen – auch im B2B-Bereich.
- Anbieter sollten alle Kurskomponenten regelmäßig auf Zulassungspflicht prüfen und bei Unsicherheiten professionelle Rechtsberatung oder eine prüfende Anfrage bei der ZFU in Anspruch nehmen.
- Teilnehmende können gegebenenfalls Verträge widerrufen und erhalten so gezahlte Gebühren zurück. Dies gilt nicht nur für Verbraucher, sondern explizit auch für Unternehmer.
Rechtssichere Programme, klare Vertragsgestaltung und Transparenz sind heute wichtiger denn je.
Unterstützung durch Cornea Franz – Rechtsanwälte
Sie haben Fragen zum BGH-Urteil, zur ZFU-Zulassung oder möchten Ihr Kursangebot rechtssicher aufstellen? Kontaktieren Sie uns für eine individuelle Beratung – wir unterstützen Sie bei der rechtssicheren Gestaltung Ihrer Online-Coaching-Programme!
Unsere Rechtsanwälte stehen Ihnen bei Fragen zum Thema gerne zur Verfügung. Telefon 0931 35939-0 oder 0911 530067-0






