Bauträger: Gibt es einen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer?
Am 25. Juli 2024 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) im Fall VII ZR 646/21 über die Frage, ob ein Bauunternehmer trotz eingetretener Festsetzungsverjährung Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber einem Bauträger hat.
Hintergrund des Verfahrens war die bis zum Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. August 2013 (V R 37/10) bestehende Praxis, wonach Bauträger als Leistungsempfänger die Umsatzsteuer für Bauleistungen schuldeten. Mit dem genannten BFH-Urteil wurde klargestellt, dass diese Steuerschuldnerschaft nicht auf Bauträger zutrifft, die Bauleistungen für eigene, zum Verkauf bestimmte Grundstücke verwenden. Infolgedessen mussten Bauunternehmer die Umsatzsteuer abführen, was zu zahlreichen Rückforderungsansprüchen und rechtlichen Unsicherheiten führte.
Hintergrund des Falls
Im vorliegenden Fall war die Festsetzungsverjährung bereits eingetreten, sodass keine Steuerfestsetzung mehr erfolgen konnte und der Bauunternehmer keine Umsatzsteuer mehr an das Finanzamt abführen musste. Dennoch entschied der BGH, dass die durch das BFH-Urteil von 2013 veranlasste ergänzende Vertragsauslegung zwischen Bauunternehmer und Bauträger auch in solchen Fällen gilt. Demnach steht dem Bauunternehmer ein Anspruch auf Zahlung des Restwerklohns in Höhe des Umsatzsteuerbetrags zu, selbst wenn die Steuerfestsetzung verjährt ist.
Kernaussagen des Urteils
Der BGH begründete seine Entscheidung damit, dass die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von der Steuerschuldnerschaft des Bauträgers ausgegangen seien und die vereinbarte Vergütung entsprechend kalkuliert wurde. Durch die nachträgliche Änderung der Rechtslage und die eingetretene Festsetzungsverjährung würde der Bauunternehmer ohne die ergänzende Vertragsauslegung benachteiligt, da er die Umsatzsteuer nicht mehr vom Finanzamt zurückfordern kann. Die ergänzende Vertragsauslegung dient somit dem Ausgleich der Interessen beider Parteien und verhindert eine einseitige Belastung des Bauunternehmers.
Bedeutung der Entscheidung für den Baupraktiker
Dieses Urteil hat weitreichende Bedeutung für die Bauwirtschaft, insbesondere für Fälle, in denen Bauunternehmer und Bauträger Verträge in der Annahme einer bestimmten steuerlichen Behandlung geschlossen haben. Es stellt klar, dass auch bei eingetretener Festsetzungsverjährung eine Anpassung der vertraglichen Vereinbarungen im Sinne der ursprünglichen Kalkulation erfolgen kann, um unbillige Härten für den Bauunternehmer zu vermeiden.
Fazit:
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Vertragsgestaltung und einer regelmäßigen Überprüfung steuerlicher Rahmenbedingungen bei Bauverträgen. Sie zeigt zudem, dass Gerichte bereit sind, durch ergänzende Vertragsauslegung eine ausgewogene Risikoverteilung zwischen den Vertragsparteien sicherzustellen, selbst wenn steuerliche Verjährungsfristen bereits abgelaufen sind.