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Latente Steuerlast im Familienrecht

Familienrecht | Steuerrecht

Latente Steuerlast im Familienrecht

Im Familienrecht bedeuten latente Steuern, solche Steuern, die anlässlich einer fiktiven Veräußerung des Vermögensgegenstandes zum jeweiligen Stichtag entstehen würden. Die latenten Steuern sind, wie der Begriff erkennen lässt, keine tatsächlich angefallene Steuerlast, die nach Abgabe einer Steuererklärung und Erlass eines Steuerbescheids auf den ersten Blick zu erkennen sind. Vielmehr muss der familienrechtliche Berater die latenten Steuern üblicherweise mit Unterstützung eines Steuerberaters außerhalb der tatsächlichen, behördlich festgesetzten Steuerlast ermitteln. Die latenten Ertragsteuern im Familienrecht haben den Zweck als eine Art regulativ zu fungieren. Sie haben zu Folge, dass im Rahmen der Wertermittlung in Güterrechtsverfahren des gesetzlichen Güterstands eine Position enthalten ist, die fiktiv ist.

Die ersten Fragen sind, welche Vermögensgegenstände zu betrachten sind und welche unterschiedliche Steuerarten betroffen sein können. Dabei sind auch unterschiedliche Voraussetzungen zu beleuchten.

Bei der Wertermittlung des Anfangs- und Endvermögens muss unter anderem bei Unternehmen, Grundstücken, Wertpapieren und Lebensversicherungen, deren Veräußerung zu einer Einkommensteuerbelastung führen kann, die latente Steuerlast berücksichtigt werden.

Gemeinsam für alle Vermögensgegenstände gilt, dass die Bewertung der Vermögensgegenstände stichtagsbezogen sein muss. Das bedeutet, dass die Werte Tag genau für den Zeitpunkt des Beginns des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft, also für den Tag der Eheschließung, für den Tren-nungszeitpunkt und für den Tag der Zustellung des Scheidungsantrags als Zeitpunkt der Beendigung der Zugewinngemeinschaft ermittelt werden müssen. Bei Unternehmensbewertungen sowie bei Grundstücksbewertungen läuft es oft auf die Erstellung von Sachverständigengutachten hinaus. Um die Höhe der latenten Steuern ermitteln zu können, muss zunächst für jedes zum Stichtag vorhandene Wirtschaftsgut der steuerliche Gewinn ermittelt werden. Die Steuerbelastung ist unter Berücksichtigung des anderweitig vorhandenen, steuerpflichtigen Einkommens zu berechnen.

Es ist nach der Vorgabe des BGH das Ziel einer Wertfindung, den „vollen, wirklichen“ Wert des Ver-mögensgegenstands zu ermitteln. Trotzdem wird sehr oft in Zugewinnverfahren die latente Steuer vergessen und nicht berücksichtigt.

1. Veräußerung des Betriebes, § 16 EStG

Die ermittelte latente Steuerlast, hier die latente Einkommensteuerlast wird bei der Ermittlung der Werte im Zugewinnausgleichsverfahren wertmindernd für den Unternehmenswert berücksichtigt. Sie stellt keine Verbindlichkeit im Zugewinn dar.
Nach § 16 I EStG wird die Veräußerung des Gewerbebetriebs im Ganzen oder eines Teilbetriebes besteuert. Der steuerpflichtige Veräußerungsgewinn ist dabei gem. § 16 II EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Bei der fiktiven Berechnung tritt an die Stelle des Veräußerungspreises der (üblicherweise durch Sachverständigengutachten ermittelt) Verkehrswert des Betriebes oder Teilbetriebes. Die Werte nach § 4 I EStG bzw. § 5 EStG werden üblicherweise vom Steuerberater geliefert.

Der Veräußerungsgewinn unterliegt dem persönlichen Steuertarif des Betreffenden. Etwaige Be-günstigungen aus § 16 IV EStG sind zu berücksichtigen, wenn der Betreffende das 55. Lebensjahr vollendet hat.

2. Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, § 17 EStG

Nach § 17 EStG werden (als Einkünfte aus Gewerbebetrieb) Gewinne aus der Veräußerung von Antei-len an Kapitalgesellschaften besteuert, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der betreffenden Gesellschaft mit mehr als 1 % beteiligt war. Anteile an einer Kapitalgesellschaft sind dabei sowohl Aktien, als auch Anteile an einer GmbH, Genussscheine oder ähnliche Be-teiligungen und Anwartschaften auf solche Beteiligungen, vgl. § 17 I 2 EStG. Der Veräußerungsge-winn ist gem. § 17 II EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungs-kosten die Anschaffungskosten übersteigt.

Wertpapiere gehören nach der Rechtsprechung des BGH zu den Vermögensgegenständen, bei de-nen die latente Ertragsteuer auch zu berücksichtigen ist.
Bei börsennotierten Aktiengesellschaften kann dabei auf den jeweiligen Tageskurs zurückgegriffen werden, nicht notierte Anteile sind durch Sachverständigengutachten zu bewerten, sofern kein an-deres, konsensfähiges Verfahren zur Verfügung steht. Der sich ergebene Gewinn unterliegt nicht dem persönlichen Steuertarif, sondern der sogenannten „Abgeltungssteuer“ gem. § 32 d EStG. Der Steuersatz beträgt (vereinfacht ausgedrückt) 25 % und der ggf. anfallenden Kirchensteuer. Da es sich auch hier als Einkommensteuer um eine Ertragsteuer handelt, muss diese Steuer nach der Vor-gabe des BGH ermittelt und bei der Bewertung wertmindernd berücksichtigt werden.

3. Private Veräußerungsgeschäfte gem. § 22, 23 EStG

Private Veräußerungsgeschäfte unterliegen gem. §§ 22 I Nr. 2 EStG, 23 EStG der Besteuerung. Die privaten Veräußerungsgeschäfte sind dabei in zwei wesentliche Fallkonstellationen gegliedert. Zum einen erfasst § 23 EStG private Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten. Die Veräußerung von Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten ist immer dann steuerbar, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre liegen. Ausge-nommen sind Grundstücke, die im Zeitraum zwischen Anschaffung/Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Das Gleiche gilt, wenn die Immobilie im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Als weitere Fallkonstellation werden Veräußerungsgeschäfte besteuert, wenn bei anderen Wirtschaftsgütern der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Der Gewinn bei privaten Veräußerungsgeschäften ergibt sich aus dem Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Wer-bungskosten andererseits. Die Anschaffungs- und Herstellungskosten sind dabei um die AfA und um Sonderabschreibungen zu kürzen, vgl. § 23 III EStG.

Sollte nach der sogenannten Drei-Objekte-Regel des BFH bei einer fiktiven gleichzeitigen Veräuße-rung von mindestens vier Objekten ein gewerblicher Grundstückshandel unterstellt werden, lägen keine fiktiven Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft vor, sondern Einkünfte aus ge-werblicher Tätigkeit (§ 15 EStG). Auch die sich daraus ergebende Steuer ist als Einkommensteuer eine Ertragsteuer und damit als latente Steuer wertmindernd zu berücksichtigen. Die Einordnung der Veräußerung von Grundstücken als gewerbliche Tätigkeit hätte weitere steuerliche Folgen. Es würde auch die Gewerbesteuer nach §§ 1 ff. GewStG anfallen und müsste folglich ermittelt werden.

Das bedeutet, dass bei der fiktiven Veräußerung von Grundstücken im Ergebnis auch darauf geachtet werden muss, ob Gewerbesteuer anfällt, weil durch die Finanzverwaltung ein gewerblicher Grundstückshandel unterstellt werden würde. Diese Position gilt es bei der Wertermittlung zu be-rücksichtigen.

Diese Ausführungen gelten sowohl für die Ermittlung des Endvermögens als auch für die Ermittlung des Anfangsvermögens. Beim Anfangsvermögen ist allerdings je nach Zeitablauf darauf zu achten, wie der Stand des jeweiligen Steuergesetzes zum Stichtag des Anfangsvermögens war.

4. Lebensversicherungen

Lebensversicherungen gehören nach der Rechtsprechung des BGH ebenfalls in die Kategorie der Vermögensgegenstände, für deren Bewertung die latente Ertragssteuerlast eine Rolle spielen soll. Die Lebensversicherung wird im Anfangs- und Endvermögen regelmäßig nicht mit dem Rückkaufswert angesetzt, sondern mit dem Fortführungswert. Nur wenn die Fortführung der Lebensversiche-rung im konkreten Fall nicht zu erwarten ist, ist der Rückkaufswert der zutreffende Wert.

Bei der latenten Steuerlast muss differenziert werden:

Für Lebensversicherungen, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen worden sind, besteht nach zwölf Jahren keine Steuerlast für die Zinsen und Gewinnanteile. Daher ist für diese Verträge in der Ge-genwart keine latente Steuerlast zu ermitteln. Allerdings kann für das Anfangsvermögen die latente Steuerlast ein Thema sein. Es ist zu prüfen, ob zum Zeitpunkt des Anfangsvermögens eine Steuerlast hätte bestehen können. Mit dem Alterseinkünftegesetz wurde bestimmt, dass Erträge aus Lebens-versicherungsverträgen, die nach dem 31.12.2004 abgeschlossen wurden, allgemein der Einkommensteuerpflicht unterliegen. Die Ausnahme der Steuerfreiheit ist nur dann gegeben, wenn der Vertrag zwölf Jahre bestand und erst nach dem vollendeten 60. Lebensjahr des Versicherungsneh-mers, bei Neuverträgen ab 2012 nach dem vollendeten 62. Lebensjahr ausläuft oder auslaufen wird. Der Todesfallschutz muss mindestens 60 % der Beitragssumme betragen. Bei dieser Ausnahme werden nur 50 % der Erträge besteuert. Als Ertrag wird steuerrechtlich die Differenz von eingezahl-ten Beiträgen und der endgültigen Versicherungsleistung definiert. Maßgebend ist der persönliche Steuersatz, wenn die Erträge aus Neuverträgen zur Hälfte zu versteuern sind, sonst greift die Kapi-talertragsteuer in Höhe von 25 %.

Ist die Lebensversicherung als Sicherheit oder Tilgung für ein Darlehen abgetreten oder verpfändet worden, was bei Immobiliendarlehen der Fall sein kann, entfällt bei diesen Lebensversicherungsverträgen die Steuerbefreiung oder -reduzierung. Eine Ausnahme gilt dann, wenn das Darlehen nur für die Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines zur Einkunftserzielung bestimmten Wirtschaftsgutes oder einer selbstgenutzten Immobilie dient. Bei Darlehen für gemischt genutzte Immobilien ist die Sicherheitshingabe der Lebensversicherung steuerschädlich.

Wie zu erkennen ist, ist im ersten Schritt die Lebensversicherung dahin gehend zu prüfen, ob auf Grund des konkreten Sachverhalts eine Besteuerung nach dem Einkommensteuergesetz überhaupt in Frage kommen kann. Ist dies der Fall, muss die latente Einkommensteuerlast ermittelt und angesetzt werden.

5. Vorfälligkeitsentschädigung

Werden Darlehensverträge vorzeitig beendet, indem zulässigerweise beispielsweise eine vorzeitige Rückführung des Darlehensbetrags erfolgt, wird oft eine Vorfälligkeitsentschädigung fällig. Wenn nun eine Immobilie fiktiv veräußert werden soll, um eine latente Ertragssteuerlast zu ermitteln, könnte auch an eine Rückführung eines valutierenden Darlehens gedacht werden. Die Folge wäre, dass eine Vorfälligkeitsentschädigung anfiele.

Es stellt sich daher die Frage, wie mit einer möglichen fiktiven Vorfälligkeitsentschädigung im Rahmen eines Darlehensvertrags umzugehen ist. Die Vorfälligkeitsentschädigung fällt üblicherweise gegenüber der Bank an, wenn ein Darlehensvertrag mit der Bank vorzeitig gekündigt oder durch Tilgung beendet wird, sobald klar ist, dass die Bank nicht für den angedachten Gesamtzeitraum des Darlehensvertrags Zinsen als Gegenleistung für die Darlehensgewährung erhalten wird. Die kapita-lisierte Differenz wird als Vorfälligkeitsentschädigung üblicherweise konkret ermittelt und gegenüber dem Darlehensnehmer geltend gemacht.

Zunächst muss geprüft werden, ob die Vorfälligkeitsentschädigung nach dem zu prüfenden Darle-hensvertrag anfallen kann. Wenn dies der Fall sein sollte, kann diese auf den Stichtag ohne Weiteres berechnet werden. Insbesondere das betroffene Kreditinstitut wird die Vorfälligkeitsentschädigung für den Kunden und damit für den Ehegatten auf einen Stichtag ohne größere Schwierigkeiten ermitteln können.

Die Frage ist allerdings nun, ob die Vorfälligkeitsentschädigung als Abzugsposition geltend gemacht werden kann, wenn im Anfangs- oder Endvermögen eine Immobilie vorhanden ist und diese Immo-bilie durch ein Darlehen finanziert ist. Die Vorfälligkeitsentschädigung ist keine latente Ertragssteuerlast, die öffentlich-rechtlich zwingend anfällt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen.

Sie ist allerdings eine privatrechtlich vereinbarte Position, die zwingend anfällt, wenn der Darlehensvertrag, der die Immobilie finanzierte, durch die fiktive Veräußerung der Immobilie durch eine fiktive vollständige Tilgung aus dem Veräußerungserlös beendet wird. Eine Zwangsläufigkeit ist daher nicht auf den ersten Blick abzulehnen. Im Ergebnis kann mit entsprechenden Argumenten und in Weiterführung der Entscheidung des BGH zur latenten Steuerlast vertreten werden, dass die Vorfälligkeitsentschädigung bei einer fiktiven Veräußerung als Abzugsposition geltend gemacht werden kann.

6. Fazit

Es lässt sich festhalten, dass die latenten Steuern eine (ge)wichtige Position bei der Ermittlung von Werten im Rahmen des güterrechtlichen Verfahrens darstellen. Sollten Sachverständigengutachten durch das Gericht eingeholt werden, sollten die im Gutachten ermittelten latenten Steuern mit Hilfe einer beauftragten Steuerberatung geprüft werden. Dabei kann der individuelle Steuersatz von Bedeutung sein.

Die latente Steuerlast ist für jedes einzelne Wirtschaftsgut gesondert zu ermitteln. Sie stellt keinen eigenständigen Abzugsposten im Rahmen des Zugewinns dar, sondern beeinflusst den Wert des betroffenen Wirtschaftsgutes.

Bei weiteren Sach- und Rechtsfragen im Bereich des Zugewinns stehen Ihnen unsere Rechtsanwälte für Familienrecht und Steuerrecht gerne jederzeit beratend zur Verfügung.

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